Der arbeitende Zughund in Deutschland
Schon bevor es spezielle Hundekarren gab, machten sich Menschen die Zugkraft von Hunden zunutze. So gibt es verschiedene historische Darstellungen, die Hunde als Zugtiere vor einrädrigen Schiebkarren zeigen. Dabei wird die Karre durch den Menschen geschoben und gelenkt, während der Hund vorausläuft und zieht. Derartige Szenen sind für Deutschland zwischen 1810 und 1850 im Bild und für die Zeit vor 1800 im Text nachweisbar. Je nach Darstellung trägt der Hund eine Art Kummet oder ein Sielengeschirr.
Einen regelrechten Aufschwung erlebte der Zughund in Deutschland mit der zunehmenden Verstädterung. Während die Selbstversorgung auch für die Stadtbevölkerung lange Jahre vollkommen selbstverständlich war wandelte sich die Situation im 19. Jahrhundert. Die Einwohnerzahlen der Städte wuchsen, die besiedelte Fläche nahm zu und die Selbstversorgung der Städter ging zurück. Nahrungsmittel wurden nun zunehmend eingekauft und nicht mehr selber hergestellt, hier ist insbesondere die Versorgung der Städte mit Frischmilch zu nennen.
Die unterschiedlichsten Formen der Hundeanspannung entwickelten sich aus dieser neuen Notwendigkeit.
Die einfachste war das gemeinsame Ziehen eines vierrädrigen Handkarrens durch Hund und Mensch. Hierzu zog der Mensch mittels eines umgehängten Gurtes und lenkte über den Deichselgriff. Der Hund zog über zwei Zugleinen auf der anderen Seite der Deichsel.
Auch von zwei Hunden gezogene vierrädrige Karren findet man auf Darstellungen. Die Anspannung erfolgte dazu rechts und links der Deichselstange und ganz offenkundig auch mit Ortscheiten.
Doch auch zweirädrige Karren kamen auf, besonders zu erwähnen ist die sogenannte „Hamburger Milchkarre“, auch „Schott’sche Karre“ genannt, die 1877 zum ersten Mal schriftlich und bildlich erwähnt wird. Dieser spezielle Wagen hat besonders große Räder, Blattfedern und eine Hängevorrichtung für die Milcheimer. Der Zughund läuft unterhalb der Achse, während die Karre zugleich von einem Menschen geschoben wird. Diese fortschrittliche Karre gewährleistet einen besonders erschütterungsarmen Transport der Milch, die so frisch und unbeschädigt ausgeliefert werden kann. Wird die Karre abgestellt kann der Zughund sich recht frei darunter bewegen und seiner Aufgabe zur Bewachung der Ladung nachkommen. Die Bezeichnung „Schott’sche Karre“ oder „Schottische Karre“ deutet auf den Ursprung dieser Karre hin, die auf einer Zeichnung von 1825 aus London bereits zu sehen ist.
Ähnlich wurde um 1850 in Paris das Badewasser transportiert, auch hier läuft der Hund unterhalb des zweirädrigen Wagens, der mit einem großen Wasserfaß ausgerüstet ist und wahlweise gezogen oder geschoben werden kann. Neben dem Zughund im Kummetgeschirr mühen sich zwei Männer mit Gurten und Schiebegriffen, die schwere Last über das Kopfsteinpflaster zu bewegen.
Die vierrädrigen Handkarren wurden zunehmend auch zu Hundekarren mit einer Scherendeichsel umgerüstet. Waren aller Art wurden per Hundekarre transportiert. 1886 werden Hundefuhrwerke als „Modeartikel“ für Bäcker im Raum Leer bezeichnet, so weit verbreitet sind sie. Auch Fleisch wurde mittels Hundekarre ausgeliefert, so kann man noch 1939 nachlesen, daß in Hannover jeder Metzger über einen Zughund für seinen Fleischwagen verfügte.
Der Hund vor dem Karren war aber auch ein Zeichen von Armut. So bedienten sich Lumpensammler und Händler mit billigen Töpferwaren ebenfalls dieses Transportmittels. Ein einzelner Hund oder ein Hundegespann ist wesentlich günstiger im Unterhalt als ein Pferd, selbst zwei Zughunde können von Abfällen satt werden. Für die Nutzung der Straßen mit einem Hundegespann fiel kein Wegzoll an, wohingegen für Pferde und Rinder bezahlt werden mußte.
Das Zentrum der europäischen Zughundebewegung lag in Belgien und den Niederlanden, dort, sowie auch in England und in der Schweiz gab es eine spezielle zweirädrige Hundekarre für den Milchtransport. Diese Karren waren mit einer Scherdeichsel versehen und wurden von einem oder mehreren Hunden gezogen – sie sind häufig auf alten Postkarten aus Belgien zu sehen.
In Deutschland wurde diese Art Wagen vor allem im niederländisch-deutschen Grenzraum eingesetzt und fand ihre Verbreitung mit dem Ausbau des Molkereiwesens. Der notwendig gewordene Transport größerer Mengen Milch über weitere Strecken ließ sich nicht mehr mit dem Tragjoch oder der Handkarre bewältigen. So wurden auf einzelnen Höfen im Emsland die gefüllten Milchkannen mit einem solchen zweirädrigen Hundewagen von der Weide zur Sammelstelle der Molkerei gefahren und anschließend zur Reinigung zurück zum Hof. Fotografien dieser Form des Milchtransports existieren für die Zeit ab 1919 bis etwa 1955, die Anspannung erfolgte überwiegend im Sielengeschirr, heute als Brustblattgeschirr bezeichnet. Gezogen wurde der Milchwagen vom Hofhund: vom kräftigen Bernhardiner bis zum größeren Mischling waren alle Typen vertreten.